Später als geplant fahren wir endlich mal wieder los. Die Koffer sind gepackt und dank Packlisten aus früheren Reisen, wissen wir ganz gut, was wir brauchen. Auch dank dem schlechten Wetter starten wir nochmals einen Tag später – was solls. Um etwas Zeit wett zu machen, nehmen wir fast die Luftlinie nach Calais und besuchen unterwegs noch die Cité Souterraine de Naours, alte unterirdische Kreideabbauten, die zu verschiedenen Zeiten (vor allem während den Kriegen) als Versteck genutzt wurden.

Flutsch über den Kanal finden wir uns wieder mal auf der falschen äh der richtigen, aber anderen Seite der Strasse wieder. Das Umgewöhnen geht erstaunlich schnell und schon sind wir wieder unter dem Boden – im Shell Grotto in Margate wurde vor über 200 Jahren ein unterirdischer Gang und eine Kammer extrem detailliert mit zigtausenden Muscheln verziert. Wann genau und zu welchem Zweck ist leider heute unbekannt. Das Wetter bleibt leider unbeständig, es sind starke Stürme für die Nacht angesagt, so suchen wir uns lieber ein Privatzimmer. Auch die nächsten Tage sind geprägt von starkem Wind, häufigen Regenschauern und so gut wie keiner Sonne.
Um ja nichts Neues anzufangen, steigen wir erneut 17m unter die Erde. Diesmal in den prähistorische Feuersteinabbauten von ‘Grimes Graves’; hier wurden mit Hirschgeweihen viele Stollen in den Boden getrieben, um an den wertvollen Rohstoff zu gelangen. Heute sind noch hunderte Vertiefungen im Boden zu sehen und ein ausgegrabener Schacht kann besichtigt werden.

Zum ersten Mal entscheiden wir uns, im Zelt zu übernachten (da die Prognosen endlich etwas besser sind) und geniessen einen schönen Abend vor unserem Zelt. Nach bisher eher langweiliger Landschaft erreichen wir nun endlich den Peak District (der höchste Peak ist stolze 636m..) wo wir wegen des kommenden Regens diesmal in einer Art Jurte übernachten. In dieser Gegend gibt es unzählige alte Bergwerke, von denen wir einige Gebäude besichtigen. Schliesslich erhalten wir zudem eine Handvoll Schlüssel, um die Holme Bank Chert Mine bei Bakewell frei zu besichtigen, eine wunderschöne Grube mit vielen gemauerten Wänden, klarem Wasser und fast endlosen Gängen… Gut versteckt gibt es in der Ecke auch ein unbekanntes, faszinierendes Tal: Es ist aufgefüllt mit weissen Sinterterrassen, die total surreal wirken in der grünen Landschaft.
Nordwärts zieht es uns, so düsen wir weiter in den Lake District wo unser Zelt in der Nacht auf Sturmtauglichkeit geprüft wird – bestanden, puh! Der sehr schöne und grosse Sunkenkirk Stone Circle begeistert uns, auch wenn wir in unseren Töffklamotten ziemlich ins Schwitzen kommen, denn er kann nur zu Fuss erreicht werden (und ist daher auch nicht stark frequentiert). Die Gegend gefällt uns sehr, doch sind wir froh, im Juni hier zu sein – im Sommer muss es hier von Touristen nur noch wimmeln. Was uns hier immer wieder überrascht, sind die kurzen Öffnungszeiten der Sehenswürdigkeiten. Öffnungszeiten wie 12-16h sind selbst am Wochenende keine Seltenheit, wobei der letzte Einlass dann meist 30-60 Minuten vorher ist – so brennen wir mehr als einmal irgendwo an. Ähnlich auch beim Essen; viele Restaurants schliessen schon um 19:30, die letzte mögliche Bestellung ist entsprechend früh. Dies ist für uns etwas gewöhnungsbedürftig und wir beginnen, unseren Tag mit einer etwas früheren Ankunft zu planen als sonst.

Plötzlich ist Schottland. Eine kleine Tafel weist uns auf diesen Fakt hin und punktgenau tauchen auch die Midges (eine äusserst kleine, beissende, mühsame Fliege) und der Regen auf. Kaum lässt der Wind es zu, steigen sie aus den Wiesen hoch und überfallen zu tausenden alles was sich bewegt (oder auch nicht bewegt).
Im Museum of Lead Mining in Wanlockhead erfahren wir viel über das Leben der Mineure in diesem abgelegenen Dorf und können einen kleinen Teil des Bergwerks besichtigen. Die Gegend ist hier immer noch mit Blei und Arsen verseucht, so darf auch heute noch kein Gemüse angebaut werden – Schafe scheinen aber erlaubt, sollen aber eine erhöhte Lämmersterblichkeit haben…
Weiter geht’s nordwärts und wir werden zu klassischen Touristen. Bei Falkirk besuchen wir den futuristischen Bootslift, der Boote über eine Höhe von 33.5m emporhebt (bei dem aber ganz typisch um 17h schon tote Hose ist und er daher auch nicht in Betrieb ist). Auch die bekannten, riesigen Pferdekopfskulpturen Kelpies werden kurz besucht und schon entfliehen wir dem Tourismus wieder in die Berge und trotzen dem schottischen Regen. Den Satz «übermorgen wird es besser» hören wir nun schon seit 5 Tagen. Beim kleinen Freilichtmuseum über die Pfahlbauer der Bronzezeit erhalten wir nebst einem lebendigen Einblick in das damalige Leben sogar auch ein paar Sonnenstrahlen.

Hier, kurz vor den Highlands erfahren wir nun etwas über die Pikten, ein Volk, das hier von etwa 300-800 n. Chr. lebte und keine Schrift nutzte, dafür viele Steine sehr detailreich verzierte. Mit dem Einzug des Christentums vermischten sich die Einflüsse, sodass viele stark verzierte Steinkreuze aus dieser Zeit erhalten sind.
Auch das Dunnottar Castle besuchen wir, eine auf einer felsigen Halbinsel gebauten Burg, wo wir nun schon wieder in der Sonne schwitzen. Ist jetzt wirklich schon ‘übermorgen’? Wie üblich suchen wir nun am Nachmittag einen Campingplatz, das ist ja kein Problem. Ausser man ist in der Umgebung von Aberdeen. Da gibt es tatsächlich – nichts. Zwar findet Google tonnenweise «Campings», aber sämtliche davon nehmen nur Wohnmobile und dergleichen aber explizit keine Zelte. Erst 1.5 Fahrstunden entfernt finden wir schliesslich einen, dafür einen umso schöneren. Erst weit nach 20h treffen wir dort ein, der Besitzer kennt das Problem nur zu gut. Wohnmobile sind wohl lukrativer (benötigen nicht zwingend einen WC- und Küchen-Block und sind auch mit einem Kiesplatz zufrieden).
Nun ab in die Highlands, endlich mal wieder Hügel, Moore und wunderschöne Landschaften. Nicht zu vergessen auch, dass immer mal wieder ein Wegweiser auf eine Whisky-Destillerie hinweist; eine solche Einladung kann man nicht immer ablehnen. So schlagen wir auf einem herzigen Camping im Wald unser Lager für ein paar Tage auf, lassen uns von den Midges fressen und erkunden zwei Destillerien, schöne Küstenabschnitte, ein Freilichtmuseum und einen Öltank.
Letzterer, der Inchindown Oil Tank ist ein Relikt aus dem zweiten Weltkrieg, wo mit riesigem Aufwand 6 Tanks tief in einen Berg gegraben wurden mit etwa 140 Mio. Liter Fassungsvermögen. 5 davon haben eine Länge von je 237 Meter (9m Breite und 17m Höhe) und hier wurde auch der aktuelle Guinness-Weltrekord für das längste Echo aufgestellt. Der Zugang ist einigermassen unbequem durch ein enges Ölrohr, aber der Anblick dieses gewaltigen Tanks ist überwältigend.
Nach bereits um die 4000km wollen wir nun weiter nach Norden und auch auf die vielen Inseln rund um Schottland.
Unsere Route

Dunnottar Castle war ich diesen Montag! Das war so schön!
Das ist ja wieder eine ganz coole Reise. Und ich bin von einer Pragel-Pass Tour schon fix und foxi am Abend 🙂
Geniesst es und Danke, dass Ihr uns virtuell mitnehmt.
Chris
Hoi zämä
Wow, ihr erlebt da was! Danke, dass wir „dabeisein“ dürfen! Wir wünschen weiterhin eine pannenfreie Fahrt, so wenig Mücken wie möglich und dass das Wetter endlich mitmacht. Viel Spass und lieber Gruss aus der Heimat, wo es momentan erfrischend kühl und ebenfalls regnerisch ist (Schnee auf 2000 m – Skiausrüstung ahoi). Händ Sorg, Flavia und Marcel