Archiv der Kategorie: 2025: Schottland/Irland

Schottland/Irland im Sommer 2025

Irland’s Westküste

Schon kurz nach Ankunft in Nordirland (was zu Grossbritannien gehört), wird uns angst und bange – die von der Fähre kommenden Autos liefern sich die übelsten Überholmanöver über zig Spuren hinweg und wer blinkt, verdirbt den anderen sowieso die Überraschung – wir sind froh, von der grossen Strasse abzubiegen und verziehen uns in den äussersten Nordosten. Hier ist auch der Giant’s Causeway, eine sehr bekannte Küstenlandschaft mit den bekannten 6-eckigen Basaltsäulen. Entsprechend kostet auch der Eintritt ein halbes Vermögen – zumindest, wenn man über den direkten Parkplatz geht. Wer wandert oder per Bus kommt, bezahlt nichts (ausser er möchte das Visitor Centre besuchen). Kurz entschlossen parkieren wir also einige Kilometer östlich und wandern der extrem schönen und relativ einsamen Steilküste entlang. Nach einer längeren Wanderung sehen wir schliesslich das Ziel: komplett gefüllt mit Touristen und trillerpfeifenschwingenden Aufpassern. Kurz überlegen wir, gleich wieder umzudrehen, aber wenn wir schon mal hier sind, versuchen wir ein paar Basaltsäulen zwischen all den Menschen ausfindig zu machen, und als wir genug Menschen gesehen haben, gibt es sogar einen öffentlichen Bus, der uns bequem zum Ausgangsort zurückbringt. Wir sind aber froh, schon auf der Insel Staffa bei Mull solche Säulen gesehen zu haben; unserer Meinung nach waren die dortigen viel schöner – und vor allem weniger überlaufen.

Klippen auf dem Weg zum Giant’s Causeway

Unser Ziel ist aber die Westküste. Doch dafür müssen wir erst mal den eingefangenen Nagel aus dem Pneu ziehen und üben das Wechseln des Schlauches. Prüfung bestanden und nochmals kurz die Wetterprognosen gecheckt: Ups, Sturmwarnung der höchsten Stufe für Nordirland und ganz Schottland für die nächsten 2 Tage. Zwar hat unser Zelt schon bewiesen, was es kann, aber drauf ab kommen lassen wollen wir’s trotzdem nicht. In Derry finden wir daher ein kleines Häuschen am Stadtrand, wo wir es uns für 2 Nächte bequem machen. Die Stadt, wo der bekannte Bloody Sunday war, hat zum Glück genug zu bieten für einen stürmischen Tag, während an der irischen Küste und in Schottland die Bäume (und Wohnmobile) reihenweise umfallen und es grosse Stromausfälle gibt. Zudem ist ein lokaler Töffmech super spontan bereit, unseren beiden Töffs den fälligen Ölwechsel zu machen, was uns sehr entgegen kommt, denn an der Westküste gibt es dann nur noch sehr wenige Töffläden.

Nun wechseln wir von Nordirland zu Irland (welches in der EU ist, den Euro hat und in Kilometern statt Meilen rechnet); den Grenzübergang nimmt man nicht mal wahr. Keine Tafeln, keine Gebäude, keine Kontrollen; das ist wohl der einfachste Ort, um in die EU zu gelangen! Vorbei an Nationalpärken, Steinkreisen, Dolmen und Kirchenruinen geht es nun an die Westküste. Aufgrund der noch immer starken Böen bleiben wir lieber etwas im Landesinnern und fangen prompt den nächsten Platten ein. Diesmal eine Teppichmesserklinge, die den Pneu auf 2cm Länge aufschlitzt. Damit wir überhaupt wegkommen, gibt’s einen neuen Schlauch, aber wir trauen dem Pneu so nicht mehr. Zum Glück hat ein ‘naher’ Töffmech noch einen plusminus passenden Pneu an Lager, sonst hätten wir über das ganze Wochenende auf einen Neuen warten müssen.

Das Wetter beruhigt sich jetzt langsam nach dem Sturm, sodass wir uns wieder mal an die Küste wagen. Prompt finden wir auf einer kleinen Landzunge ein wunderschönes Plätzchen für unser Zelt direkt am Meer und entspannen uns dort gleich zwei Nächte trotz windigem und wechselhaftem Wetter. Ab hier gegen Süden wird die Küste immer häufiger zur Steilküste, die wir zum Beispiel am Moyteoge Head auf Achill Island auf einer kleinen Wanderung erkunden. Auch an Kirchenruinen wie der Burrishoole Abbey oder die Ross Errilly Friary spart Irland nicht, so gibt es zig ehemalige Kirchen und Klöster, wo die Böden der halb verstürzten Kirchenschiffe längst wieder zu einem auch schon wieder verlassenen Friedhof umgewandelt wurden.

Ross Errilly Friary

An Galway vorbei schiessen wir ins Herz des Westküstentourismus. Die bekannten und touristisch überfüllten Cliffs of Moher … können uns mal; das südlich gelegene Cliff of Kilkee begeistert umso mehr durch wenige Touristen und mindestens ebenso schönem Panorama. Wenn am richtigen Ort parkiert wird, sogar völlig gratis. Auch die Stimmung im Pub in Dooley ist dank irischer Livemusik wirklich toll. Für die technisch versierten Freaks bietet sich danach ein Stopp im Lartigue Monorail Museum in Listowel an. Hier wurde eine einzigartige, um 1930 eingestellte Zuglinie auf einem Kilometer Länge wieder rekonstruiert. Diese verkehrte nicht wie üblich auf zwei Geleisen, sondern auf einem einzigen, erhöhten Geleise mit seitlichen Führungsschienen. Die Fracht und die Beladung waren seitlich davon angebracht und mussten gut ausgeglichen werden. Nach 30 Jahren im Betrieb wurde sie dann schliesslich während des irischen Bürgerkriegs eingestellt, nachdem sich die Schienenkonstruktion als sehr anfällig gegenüber Anschlägen erwiesen hatte. Heute kann hier eine Probefahrt gemacht werden, inklusive Demonstration der dabei benötigten, sehr komplexen Drehscheiben.

Lartigue Monorail and Museum

Nun wird die Küste ‘fjordiger’, immer mehr Landzungen stechen in den Atlantik und landschaftlich schöne Strassen erschliessen diese Küsten. Sogar ein paar Passstrassen durchziehen diese Landschaft, wie der sehr schöne und enge Conor Pass auf der Dingle-Halbinsel (mit 465m der zweithöchste Pass Irlands). Auf dieser Halbinsel steht auch das Gallarus Oratory, eine etwa im 8. Jahrhundert in Trockenbauweise errichtete, frühkristliche Kirche die noch immer (fast) unverändert steht.

Gallarus Oratory, Kirche aus dem 7. Jahrhundert

Bei Blitz und Donner treffen wir nahe Cahersiveen auf unserem Zeltplatz ein und schlagen den Rekord zum Zeltaufstellen einmal mehr – in nicht mal 5 Minuten steht unser Zelt und wir verkriechen uns sofort und rechtzeitig ins Innere, während sich draussen ein massives Gewitter über uns entleert. Wir erkunden in den nächsten Tagen die Halbinsel und ab und zu findet sich nun auch hier ein schöner kleiner Pass, zumeist mit kleinsten, einspurigen Strassen. Mit stetem Blick aufs Wetter planen wir unsere Touren sehr spontan und müssen sie oftmals kurzfristig anpassen, besichtigen dabei ein bronzezeitliches, massives Ringfort, Dinosaurierspuren am Meer eines Quadropoden (eine Art prähistorisches, vierbeiniges Krokodil und letztendlich der Urahn aller heutiger Säugetiere) und steinzeitliche Steinhauereien in Form von noch schwach sichtbaren Kreisen und Punkten auf einigen Steinplatten im Nirgendwo.

Auf der Weiterfahrt lassen wir uns die Muckross Abbey nicht entgehen. Hier wurde der viereckige Innenhof um eine noch viel ältere Eibe gebaut, die das ehemalige Kloster noch immer überdauert. Nach diversen kleinen und kleinsten Pässen erreichen wir die Beara-Halbinsel und den wunderschönen Healy Pass, der sich fast wie eine schweizer Passstrasse anfühlt mit perfektem Strassenbelag und guten Kurven. Das von Matti anvisierte Bergwerksgelände besitzt zwar einen grossen Stollen, aber ein umso grösseres Eisentor davor und ganz viel Maschendrahtzaun und Stacheldraht – schade. Dafür besuchen wir einen Ogham Stone, ein in der Bronzezeit errichteter grosser stehender Stein, der später mit einer Art gälischer Geheimschrift ‘dekoriert’ wurde.

Gap of Dunloe Pass

Unsere Zeit in Irland neigt sich dem Ende zu, bald schon soll uns eine Fähre verschlucken und in der Bretagne wieder ausspucken. So nutzen wir die letzten Tage für das Begutachten von vielen Steinen in Form einer Schlossruine, eines riesigen ehemaligen Hügelgrabs und dem ehemaligen Gefängnis von Kerry. Die Überfahrt in die Bretagne verläuft ruhig und kurz nach 7 rollen wir in Roscoff von der Fähre und verlieren uns in den Wäldern der Bretagne bei kalten 9°C. Um etwas vorwärts zu kommen, nehmen wir auch etwas Autobahn mit, die uns dann bei über 30°C im Schatten bis ins Zentralmassiv führt. Solche Temperaturen sind wir uns nicht mehr gewohnt und selbst in den Bergen der Auvergne wird es kaum unter 25°. Wenn wir schon in Frankreich sind, müssen wir unbedingt nach Pont-en-Royans, denn dort gibt es eine Spezialität, die wir über alles lieben: Ravioles, eine Art kleiner Ravioli mit einem hauchdünnen Teig und meist einer Frischkäsefüllung. Das Topcase wird zum Kühlschrank umfunktioniert und noch viele Mitbringsels eingekauft und schon düsen wir durch einige steile Schluchten und aus dem Felsen gehauenen, spektakulären Strassen in zwei Tagen über den Jura nach Hause, wo wir nach über 13’000km und insgesamt 24 Fähren wohlbehalten und entgegen jeglichen Wetterprognosen sogar trocken ankommen.

Wohlbehalten zu Hause angekommen

Unsere Route in Irland

Gesamtroute

Today’s Rain is tomorrow’s Whisky

Zurück von den Orkneys empfängt uns das Festland mit Regenwetter. So macht Zelten keinen Spass und wir organisieren uns seinen Pod. Dies sind kleine Häuschen, häufig ähnlich wie ein grosses liegendes Fass und es gibt sie in allen Grössen und Ausstattungen von ‘bring dein eigenes Bett’ bis zu solchen mit eigenem Badezimmer und Küche. Sie sind hier recht häufig auch auf Zeltplätzen oder einzeln anzutreffen zum Preis von einem günstigen Hotelzimmer. Bei diesem voll ausgestatteten Pod ist sogar ein volles ‘Scottish Breakfast’ inklusive (weisse Bohnen, Blutwurst, Würstli, Pilze, Toast etc.), und es hat so viel, dass gleich auch der nächste Znacht damit geregelt ist…

Noch immer ist es bewölkt und regnet auch immer mal wieder. Auf kleinen Strassen fahren wir nun in Richtung der berühmten Westküste. Im Nieselregen wollen wir die Smoo Cave besichtigen, eine Höhle praktisch auf Meereshöhe mit einem schönen Wasserfall darin. Durch die vielen Niederschläge ist vom Wasserfall fast nichts zu sehen – dieser spritzt und nebelt so stark, dass man ihn fast nicht mehr sieht.

Eisenzeitliche Turmruine im regnerischen Hinterland

Wieder mal ist Matti mit dem Buchen von Fähren beschäftigt. Wir wollen auf die Äusseren Hebriden und dann zurück nach Skye und den weiteren Inseln nach Süden folgen – doch fast sämtliche Fähren müssen im Voraus gebucht werden und sind teilweise schon längst ausgebucht. Wir legen uns einen Plan zurecht und ‘götschen’ weiterhin die regnerische Westküste hinunter. Natürlich merken wir nun auch, dass alle unsere Stiefel nicht mehr wasserdicht sind. Wir wagen uns auf einen Zeltplatz und sind froh, ein etwas geschütztes Plätzchen zu erhalten. Auch hat es gleich oberhalb ein gutes Restaurant angegliedert. Von hier erkunden wir bei abwechselnd graunassem und blauem Himmel die Gegend,  machen kleine Wanderungen zu Seastacks (hohen Felsen im Meer entlang der Küste) wie dem Old Man of Stoer und auch der Wiling Widow Waterfall; dieser profitert natürlich vom vielen Regen.

Felsnadel ‚Old Man of Stoer‘

Da die nächste freie Fähre erst in ein paar Tagen fährt, holen wir bereits den Bereich zwischen Ullapool und der Isle of Skye vor und schaffen es auch endlich mal wieder ‘wild’ zu campen an einem schönen kleinen See. Auch der Applecross Pass darf natürlich nicht fehlen, eine schöne enge Passstrasse mit wunderschönen Ausblicken, die sehr an die Alpen erinnern.

So, genug Zeit verplempert, ab auf die Äusseren Hebriden, auf die Insel Harris und Lewis. Dies ist eine weit vorgelagerte, aber grosse Inselgruppe westlich von Nordschottland. Und sie empfängt uns mit Regen und starken Windböen. Zum Glück ist der Campingplatz etwas windgeschützt und hat zudem einen Gemeinschaftsraum wo man im trockenen Essen und planen kann. Bei der Töffkontrolle im Nieselregen merkt Matti, dass seine Kette langsam das Lebensende erreicht und beginnt sich ungleichmässig zu längen, was sich beim Fahren auch mit unangenehmen Geräuschen bemerkbar macht. Doch noch lässt sie sich etwas einstellen.

Zum Glück gibt es ein paar Museen in der Nähe, so besichtigen wir ein rekonstruiertes ‘Black House’ – so genannt, weil das fast fensterlose Gebäude mit dicken Bruchsteinmauern und einem dicken Dach aus Heidekraut wegen dem fehlenden Licht und dem stets brennenden Torffeuer effektiv schwarz innen war (und weil die neu aufkommenden weiss angestrichenen Backsteinhäuser im starken Kontrast dazu standen). Auch eine Schafwoll-Spinnerei konnten wir besichtigen, die aus der frischen Schafwolle gesponnenes Wollgarn herstellt; woraus dann private Weber den bekannten ‘Harris-Tweed’ weben. Dies ist ein dicker, warmer Stoff mit den bekannten kreuzförmigen, schottischen Mustern.

Rekonstruiertes ‚Black House‘ bei Arnol

Endlich klart es auf. Der Wetterbericht meldet Sonne und 26°C für die nächsten zwei Tage; das kann nicht stimmen. Doch die Hitze im Zelt jagt uns am nächsten Morgen raus. Endlich mal ohne Überjacke fahren, ein ganz neues Gefühl! So düsen wir kreuz und quer über das südliche Harris, wandern zu Steilklippen und finden einen wunderschönen ‘Camping’ direkt an einem weissen Strand. Ausser einem Schild und einer Box, wo bitte schön pro Person und Nacht ein kleiner Obulus einzuwerfen ist, gibt es nichts – ausser Wohnmobile. Aber die können nicht auf die schöne Wiese fahren wie wir. Wir verlagern also flugs unser Zuhause an diesen traumhaften Strand und geniessen den ersten Sonnenuntergang am Meer unserer Reise. Doch unsere Tage sind gezählt und umbuchen geht nicht, da es kaum freie Plätze für Töffs in den nächsten Tagen gibt. Wohl daher wechselt das Wetter auch wieder zum gewohnten grau und nass während wir in Richtung Isle of Skye tuckern.

Sonnenuntergang am Cliff Beach, Isle of Lewis

Dort warten auch schon die Midges auf uns – als ob es nicht genug andere Touristen gäbe zum Auffressen. Auch merken wir, dass es nun extrem touristischer wird. Täglich muss Matti ein paar Vollbremsungen vollziehen, weil ein Tourist irgendwo auf die falsche Strassenseite zieht oder bei Kreuzungen auf die falsche Seite schaut.

Zur Abwechslung erwischen wir eine Phase mit einigen ‘blauen Wolken’, um einige schöne Steinformationen beim Old Man of Storr zu erwandern und den bekannten Quiraing Pass zu befahren. Mattis Geburtstag verbringen wir dafür vollständig im Zelt, es regnet zu stark, um an ein Wegfahren zu denken. Dafür gibt’s abends im Restaurant einen Extrawhisky aus der bescheidenen Auswahl von 400 Flaschen. Über eine uralte Fähre geht es am nächsten Tag zurück aufs Festland. Diese kann gerade mal etwa 4 Autos aufnehmen und ist die letzte ‘Turntable Ferry’ in Schottland. Diese kann den gesamten Bereich der Fahrzeuge frei um den Bootsmittelpunkt herumdrehen und damit braucht sie auch nicht eine hochziehbare Rampe, sondern kann einfach fast quer anlegen und dann das Autodeck auf die Bootsrampe drehen.

‚Old Man of Storr‘, Skye

Endlich klappt es auch mal mit Highland Games. Das Wetter macht ausnahmsweise mal Pause und so geniessen wir einen schönen Tag mit Hammerweitwurf und -Hochwurf, Baumstammwerfen, Tanzvorführungen und vielen Dudelsäcken; ein wahres Volksfest. Bei Regen fahren wir in Richtung der Insel Mull. Diese hat Matti vor 20 Jahren während genau 10 Minuten betreten und wegen den starken Regenfällen gleich wieder auf der nächsten Fähre verlassen. Mal schauen, ob wir es diesmal besser machen. Die Prognosen verheissen jedenfalls nichts Gutes, sodass wir uns einmal mehr ein Hotel suchen (was halbwegs kurzfristig und in der Hochsaison gar nicht so einfach ist). Auch diesmal ist der Regen ein häufiger Begleiter, doch finden wir auch ein paar Stunden, um die Insel Staffa per Boot zu besuchen, wo es viele Papageientaucher, Basaltsäulen und eine schöne Seacave gibt. Auch eine Weberei mit viktorianischen Maschinen, die Tweedstoffe webt und die Whiskydestillerie von Tobermory (welche auch den ‘Ledaig’-Whisky herstellt) wollen besucht werden. Es gäbe auf der Insel viele schöne wilde Orte, um ein Zelt aufzustellen – doch sind wir am Ende einmal mehr froh, ein bequemes Hotel gefunden zu haben, da es nun sehr neblig wird und insbesondere nachts auch öfters regnet.

Basaltköhle Fingal’s Cave, Isle of Staffa

Von hier aus nehmen wir auch Kontakt auf zu Triumph Glasgow, die uns trotz Hochsaison einen Termin in ein paar Tagen offerieren können, um Mattis Kette zu ersetzen. So planen wir die Route etwas um und stehen am Ende viel zu früh am Fähreterminal der Insel. Kurz mit dem Einweiser gesprochen und schon dürfen wir auf die nächstfrühere Fähre, obschon gemäss Telefon diese komplett ausgebucht sein soll – vor Ort klappt immer einiges mehr, vermutlich gibt es auch ein paar Plätze, die für genau solche Fälle reserviert sind.

Bis Glasgow sind es aber noch viele Fähren, die für einmal immerhin nicht vorgebucht werden müssen (man dafür aber auch keine Garantie hat, dass sie dann plötzlich voll sind); zudem sind sie manchmal so klein, dass die heutigen Strassenpanzer nicht mal mehr nebeneinander Platz haben und versetzt stehen müssen, was die Kapazität effektiv fast halbiert. Einige Zeit später schleichen wir in Glasgow ein – die Lichtsignale sind in Schottland und auch hier allgemein sehr ineffizient gestaltet; eine grüne Welle unbekannt. Wir deponieren Mattis Töff und uns bleibt nun ein bisschen Zeit, Glasgow zu besichtigen; so besuchen wir ein spezielles Museum mit vielen ‘Automaten’, per Motor angetriebene Figuren, Maschinen und Apparate, die uns während einer Dreiviertelstunde im Sharmanka Kinetic Theatre demonstriert werden – sehr spannend, was hier primär eine Person über viele Jahre hinweg gebaut hat.

Sharmanka Kinetic Theatre

Da wir wegen dem Kettentermin einige Orte auslassen mussten, schlagen wir nun nochmals einen Haken zurück auf die Insel Arran wo eine spannende Ansammlung von Steinkreisen und Gräbern im Machrie Moor auf uns wartet und auch ein schöner Doppelwasserfall (Glenashdale Falls) besucht werden will. Eigentlich wollten wir hier auf einen kleinen unbekannten Zeltplatz an einem Flüsschen, aber nach einem kurzen Augenschein vor Ort ist er schon voll, von Midges, und zwar so richtig. Auch sind die Prognosen wieder mal dunkelschwarz, sodass wir einmal mehr auf ein Hotel ausweichen. Von hier machen wir auch einen Tagesausflug ans Mull of Kintyre, welches trotz dem eingängigen Song doch eher wenig zu bieten hat im Vergleich zu anderen Küstenlandschaften. Der Termin naht nun, am 1. August soll uns eine Fähre nach Irland bringen. Doch vorher besuchen wir noch den interessanten Logan Botanic Garden, wo im subtropischen (!) Mikroklima auch Farnbäume und einige Palmen wachsen. Auch das Mull of Galloway besuchen wir kurzentschlossen und dürfen hier den (inzwischen voll automatisierten) Leuchtturm besteigen und die alten Kompressoren für das Nebelhorn bestaunen. Nun geht es nur noch einen Tag und kurz darauf wummern die grossen Schiffsdiesel bereits – Irland wir kommen.

Unsere Route

Inselhopping

Nach einigen Tagen auf dem wunderschönen Campingplatz (solange die Midges nicht kommen) zwischen Bäumen nehmen wir eine Minifähre auf der gerade mal zwei Autos Platz haben – diese müssen dann rückwärts rausfahren, was so einige Fahrer vor eine Herausforderung stellt – zum Glück können wir auf der Fähre wenden…

 Einige Kilometer weiter stellt das kleine Tarbat Discovery Centre diverse behauene Steine aus der Piktenzeit (ca. 300-600 n.Chr.) aus, eine kleine Ausgrabung hat hier eine alte Kirche, einige Häuser und eine Schmiede hervorgebracht. Auch weiter gegen Norden hat es wieder Steine, diesmal zwei Hügelgräber (Camster Cairns), die restauriert wurden und nun bekrochen werden dürfen. Hier wurde vor vielen tausend Jahren in trockenbauweise ein enormer Hohlraum geschaffen, der oft für Begräbnisse (aber vielleicht auch andere Zeremonien) verwendet wurde. Wir staunen immer wieder, wie oft solche Denkmäler hier einfach öffentlich zugänglich (und betretbar) sind.

Camster Cairns

Der Wind wird immer stärker und wir sind froh, im Windschatten dieser Hügel etwas essen zu können, auf der Strasse wird man von den starken Böen fast weggefegt.

Eine nächste Fähre steht nun an: Es geht auf die Orkneys. Aber zuerst wird unser Zelt erneut auf die Probe gestellt; ganz im Norden gibt es nur exponierte Zeltplätze und die Böen haben keine Lust auf Pause. Aber auch diesmal besteht es die Prüfung mit Bravour. Rechtzeitig auf die Überfahrt lässt der Wind etwas nach, so sind die 2.5h bis auf die Orkney Islands auch für Barbara ertragbar. Uns tun immer die Sättel unserer Töffs leid, denn die Befestigung auf den Fähren erfolgt stets nach dem gleichen Schema: Ein Kissen (oder manchmal auch nur ein Tuch) wird über den Sattel gelegt und dann mit einem Riemen so lange angespannt, bis der Töff (hoffentlich) fest dasteht. Wir hoffen einfach, dass unsere Sättel diese Tortur auf den vielen Fähren, die noch kommen, überstehen…

Auf den Inseln sind wir erneut auf einem Zeltplatz, mit wunderschöner Aussicht aufs Meer und das himmlische Gebläse hat sich nun auch wieder aktiviert. So fahren wir ständig in Schräglage, auch wenn die Strassen oft blitzgerade sind. Auf den Orkneys wurden sehr viele prähistorische Überreste gefunden, so kommen wir nicht herum, diverse Hügelgräber («Cairn»), Flucht-/Wohntürme («Broch»), Steinkreise und unterirdische Gebilde («Souterrain») sowie auch eisenzeitliche Dörfer zu besichtigen. Wirklich sehr imposant, was hier vor vielen tausend Jahren mit einfachsten Mitteln gebaut wurde. Doch auch neuere Gebäude begeistern, vor allem wenn darin Whisky destilliert wird. In der Highland Park Distillery sind wir auf der Morgenführung die einzigen Teilnehmer und erhalten eine wunderbare Privatführung durch eine der wenigen Destillerien, die die Gerste noch selbst und in Handarbeit malzt und räuchert.

Standing Stones of Stenness

Eigentlich wären wir gerne auf die Shetland Islands weitergezogen. Diese Inselgruppe liegt etwa auf dem 60. Breitengrad, also noch etliche Fährstunden weiter nördlich. Doch das Buchungsportal im Internet würde uns zwar die Mitnahme der Töffs auf die Inseln zugestehen, in den nächsten Wochen gibt es aber keine Rücknahmemöglichkeit. Da wir aber grad beim Fähreterminal des Fährunternehmens stehen, gehen wir trotzdem einfach mal fragen. 5 Minuten später haben wir Tickets – manchmal lohnt es sich, zu fragen… Kabinen gibt es natürlich längst nicht mehr und auf den angebotenen Sitzen kann zumindest Matti sowieso nicht schlafen, also buchen wir einfach nichts und nehmen stattdessen den Schlafsack und ein Mätteli mit und machen es uns in einer der Bars auf dem Boden bequem – naja bequem; es ist heiss, das Licht brennt die ganze Nacht auf voller Stufe – so schlafen wir nicht besonders gut und viel; aber Hauptsache wir schaffen es auf die Schetties! Dort erstmal Scottish Breakfast mit Speck, Black Pudding (einer Art Blutwurst), Baked Beans, Pilzen und so weiter – das sollte für die nächsten Tage reichen, puh.

Die Prognosen sind mässig, aber wir haben nur 3 Tage erkauft, so düsen wir ganz in den Süden zum Jarlshof, einer Ausgrabungsstätte mit Gebäuden bis in die Bronzezeit zurück. Bei Nieselregen bewundern wir die Strukturen und an den nahen Klippen bewundern wir die vielen Seevögel wie die berühmten Papageientaucher («Puffin»), aber auch Raubmöwen, Razorbills, Kormorane und vieles mehr. So lassen wir den Regen an uns vorbeiziehen und sind trotzdem froh, hier ein Bed&Breakfast gebucht zu haben. Dort werden wir wärmstens empfangen und sind froh, in dem Wetter kein Zelt aufstellen zu müssen. Entgegen unseres bisherigen Glücks erhalten wir nun 2 Tage Sonnenschein und unternehmen einige Wanderungen entlang der vielen Steilküsten der Inseln. Auch sonst gefällt uns das Eiland sehr gut – es wirkt viel wilder als die Orkneys, hat weniger Landwirtschaft (wenn, dann Schafe) und alles wirkt etwas ruhiger und gelassener. Dafür ist die Infrastruktur doch recht minimal. Restaurants auf dem ganzen Archipel lassen sich an einer Hand abzählen (plus ein paar wenige Take-Aways); ausserhalb von Lerwick (der Hauptstadt) gibt es so gut wie gar nichts ausser da und dort eine kleine Tankstelle (selten 24h) und der eine oder andere kleine Dorfladen. Trotzdem fällt der Abschied schwer, hier hat es uns bisher am besten gefallen. Zum Glück ist die Fähre zurück keine Nachtfähre, dafür kommen wir erst um 23h wieder in Kirkwall (Orkneys) an.

Shetland’s Steilküsten

Der Hostelbesitzer hat unsere Buchung vergessen, so müssen wir ihn halt wecken, um ins Zimmer zu kommen. Auch das Wetter ist nun wieder wie gewohnt: Regen. So machen wir halt nochmals eine kleine Tour zum Ring of Brodgar, einem enormen Steinkreis mit ehemals über 60 Steinen und fahren dann im Regen mit der Fähre aufs Festland zurück. Noch sind wir nicht fertig mit Inselhopping…

Unsere Route

There’s no camping in Aberdeen

Später als geplant fahren wir endlich mal wieder los. Die Koffer sind gepackt und dank Packlisten aus früheren Reisen, wissen wir ganz gut, was wir brauchen. Auch dank dem schlechten Wetter starten wir nochmals einen Tag später – was solls. Um etwas Zeit wett zu machen, nehmen wir fast die Luftlinie nach Calais und besuchen unterwegs noch die Cité Souterraine de Naours, alte unterirdische Kreideabbauten, die zu verschiedenen Zeiten (vor allem während den Kriegen) als Versteck genutzt wurden.

Cité Souterraine

Flutsch über den Kanal finden wir uns wieder mal auf der falschen äh der richtigen, aber anderen Seite der Strasse wieder. Das Umgewöhnen geht erstaunlich schnell und schon sind wir wieder unter dem Boden – im Shell Grotto in Margate wurde vor über 200 Jahren ein unterirdischer Gang und eine Kammer extrem detailliert mit zigtausenden Muscheln verziert. Wann genau und zu welchem Zweck ist leider heute unbekannt. Das Wetter bleibt leider unbeständig, es sind starke Stürme für die Nacht angesagt, so suchen wir uns lieber ein Privatzimmer. Auch die nächsten Tage sind geprägt von starkem Wind, häufigen Regenschauern und so gut wie keiner Sonne.

Um ja nichts Neues anzufangen, steigen wir erneut 17m unter die Erde. Diesmal in den prähistorische Feuersteinabbauten von ‘Grimes Graves’; hier wurden mit Hirschgeweihen viele Stollen in den Boden getrieben, um an den wertvollen Rohstoff zu gelangen. Heute sind noch hunderte Vertiefungen im Boden zu sehen und ein ausgegrabener Schacht kann besichtigt werden.

Grime’s Graves

Zum ersten Mal entscheiden wir uns, im Zelt zu übernachten (da die Prognosen endlich etwas besser sind) und geniessen einen schönen Abend vor unserem Zelt. Nach bisher eher langweiliger Landschaft erreichen wir nun endlich den Peak District (der höchste Peak ist stolze 636m..) wo wir wegen des kommenden Regens diesmal in einer Art Jurte übernachten. In dieser Gegend gibt es unzählige alte Bergwerke, von denen wir einige Gebäude besichtigen. Schliesslich erhalten wir zudem eine Handvoll Schlüssel, um die Holme Bank Chert Mine bei Bakewell frei zu besichtigen, eine wunderschöne Grube mit vielen gemauerten Wänden, klarem Wasser und fast endlosen Gängen… Gut versteckt gibt es in der Ecke auch ein unbekanntes, faszinierendes Tal: Es ist aufgefüllt mit weissen Sinterterrassen, die total surreal wirken in der grünen Landschaft.

Nordwärts zieht es uns, so düsen wir weiter in den Lake District wo unser Zelt in der Nacht auf Sturmtauglichkeit geprüft wird – bestanden, puh! Der sehr schöne und grosse Sunkenkirk Stone Circle begeistert uns, auch wenn wir in unseren Töffklamotten ziemlich ins Schwitzen kommen, denn er kann nur zu Fuss erreicht werden (und ist daher auch nicht stark frequentiert). Die Gegend gefällt uns sehr, doch sind wir froh, im Juni hier zu sein – im Sommer muss es hier von Touristen nur noch wimmeln. Was uns hier immer wieder überrascht, sind die kurzen Öffnungszeiten der Sehenswürdigkeiten. Öffnungszeiten wie 12-16h sind selbst am Wochenende keine Seltenheit, wobei der letzte Einlass dann meist 30-60 Minuten vorher ist – so brennen wir mehr als einmal irgendwo an. Ähnlich auch beim Essen; viele Restaurants schliessen schon um 19:30, die letzte mögliche Bestellung ist entsprechend früh. Dies ist für uns etwas gewöhnungsbedürftig und wir beginnen, unseren Tag mit einer etwas früheren Ankunft zu planen als sonst.

Irgendwo im Lake District National Park

Plötzlich ist Schottland. Eine kleine Tafel weist uns auf diesen Fakt hin und punktgenau tauchen auch die Midges (eine äusserst kleine, beissende, mühsame Fliege) und der Regen auf. Kaum lässt der Wind es zu, steigen sie aus den Wiesen hoch und überfallen zu tausenden alles was sich bewegt (oder auch nicht bewegt).

Im Museum of Lead Mining in Wanlockhead erfahren wir viel über das Leben der Mineure in diesem abgelegenen Dorf und können einen kleinen Teil des Bergwerks besichtigen. Die Gegend ist hier immer noch mit Blei und Arsen verseucht, so darf auch heute noch kein Gemüse angebaut werden – Schafe scheinen aber erlaubt, sollen aber eine erhöhte Lämmersterblichkeit haben…

Weiter geht’s nordwärts und wir werden zu klassischen Touristen. Bei Falkirk besuchen wir den futuristischen Bootslift, der Boote über eine Höhe von 33.5m emporhebt (bei dem aber ganz typisch um 17h schon tote Hose ist und er daher auch nicht in Betrieb ist). Auch die bekannten, riesigen Pferdekopfskulpturen Kelpies werden kurz besucht und schon entfliehen wir dem Tourismus wieder in die Berge und trotzen dem schottischen Regen. Den Satz «übermorgen wird es besser» hören wir nun schon seit 5 Tagen. Beim kleinen Freilichtmuseum über die Pfahlbauer der Bronzezeit erhalten wir nebst einem lebendigen Einblick in das damalige Leben sogar auch ein paar Sonnenstrahlen.

The Kelpies

Hier, kurz vor den Highlands erfahren wir nun etwas über die Pikten, ein Volk, das hier von etwa 300-800 n. Chr. lebte und keine Schrift nutzte, dafür viele Steine sehr detailreich verzierte. Mit dem Einzug des Christentums vermischten sich die Einflüsse, sodass viele stark verzierte Steinkreuze aus dieser Zeit erhalten sind.

Auch das Dunnottar Castle besuchen wir, eine auf einer felsigen Halbinsel gebauten Burg, wo wir nun schon wieder in der Sonne schwitzen. Ist jetzt wirklich schon ‘übermorgen’? Wie üblich suchen wir nun am Nachmittag einen Campingplatz, das ist ja kein Problem. Ausser man ist in der Umgebung von Aberdeen. Da gibt es tatsächlich – nichts. Zwar findet Google tonnenweise «Campings», aber sämtliche davon nehmen nur Wohnmobile und dergleichen aber explizit keine Zelte. Erst 1.5 Fahrstunden entfernt finden wir schliesslich einen, dafür einen umso schöneren. Erst weit nach 20h treffen wir dort ein, der Besitzer kennt das Problem nur zu gut. Wohnmobile sind wohl lukrativer (benötigen nicht zwingend einen WC- und Küchen-Block und sind auch mit einem Kiesplatz zufrieden).

Nun ab in die Highlands, endlich mal wieder Hügel, Moore und wunderschöne Landschaften. Nicht zu vergessen auch, dass immer mal wieder ein Wegweiser auf eine Whisky-Destillerie hinweist; eine solche Einladung kann man nicht immer ablehnen. So schlagen wir auf einem herzigen Camping im Wald unser Lager für ein paar Tage auf, lassen uns von den Midges fressen und erkunden zwei Destillerien, schöne Küstenabschnitte, ein Freilichtmuseum und einen Öltank.
Letzterer, der Inchindown Oil Tank ist ein Relikt aus dem zweiten Weltkrieg, wo mit riesigem Aufwand 6 Tanks tief in einen Berg gegraben wurden mit etwa 140 Mio. Liter Fassungsvermögen. 5 davon haben eine Länge von je 237 Meter (9m Breite und 17m Höhe) und hier wurde auch der aktuelle Guinness-Weltrekord für das längste Echo aufgestellt. Der Zugang ist einigermassen unbequem durch ein enges Ölrohr, aber der Anblick dieses gewaltigen Tanks ist überwältigend.

Nach bereits um die 4000km wollen wir nun weiter nach Norden und auch auf die vielen Inseln rund um Schottland.

Unsere Route